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Abschied

Das schlimme ist, das wir, zumindest bis zu einem gewissen Lebensalter, unsere Haustiere
überleben. Auf der anderen Seite ist dies auch schön, das man noch soviel Lebenserwartung hat, das
es sehr wahrscheinlich ist, das das eigene Tier bis zu seinem Lebensende in seiner vertrauten
Umgebung bleiben kann.

Aber egal von welcher Seite man es betrachtet, wenn die Zeit des Abschieds naht oder gekommen
ist, dann ist der Schmerz unendlich groß.

Nicht selten ist der Weg bis zur Stunde des Abschieds schon so traurig, das Besitzer vor ihren toten
Tieren stehen und aus tiefster Seele sagen: „Nie wieder ein Hund, nie wieder ein Haustier“.
Bis zu dem Tod meiner eigenen Hündin habe ich solche Aussagen nie verstanden. Wieso sich die
wunderschöne Zeit die man hatte, oftmals mehr als ein ganzes Jahrzehnt, durch ein paar
schmerzhafte Wochen, gezeichnet von Krankheit und altersbedingtem Verlust der Lebensgeister,
verderben lassen?

Kann man das nicht stur „gegenrechnen“? 10 Jahre Freude gegen ½ Jahr Krankheit bis zum Tod?
Nein, das kann man nicht habe ich erfahren.

Ich war so traurig als meine Hündin im Alter von 15,5 Jahren gestorben war, das ich auch dachte,
das kann ich nicht nochmal aushalten. Dabei hatte ich noch ein solches Glück. Zum einen weil sie
so alt geworden ist, und dann war ihr Ende auch so, wie es sich viele Besitzer sehr wünschen.
Und trotzdem hat dies meine Trauer nicht gemindert. Wenn überhaupt habe ich noch Dankbarkeit
empfunden. Aber der Schmerz war eigentlich größer.

Wenn ich erzählt habe das sie gestorben ist, haben sehr viele gesagt: „Aber die war doch alt!“
Ja war sie, aber ich war trotzdem traurig, das sie nun nicht mehr da ist und auch nie wieder kommen
wird.
Und nun wo ich eine neue Hündin habe, ertappe ich mich oft, das ich denke: „oh Gott, stell Dir mal
vor die kriegt die Krankheit wie der Hund von Familie....“
„Oder was, wenn sie überfahren wird mit 1,5 Jahren wie der Hund von Frau...?“
Also, es prägt einen schon ein solcher Verlust.

Schlimm ist der Weg bis zur Entscheidung: „Es geht nicht mehr“.
Oftmals ist das ein Prozess über Wochen und Monate. Wir sind mit den meisten Tierbesitzern
immer wieder im Gespräch über den Zustand des Tieres. Viele Besitzer haben Angst, das sie den
„richtigen“ Zeitpunkt nicht erkennen. „Mein Tier soll sich keinen einzigen Tag quälen“, höre ich
dann oft. Natürlich wollen wir unseren Liebsten jeden Schmerz und jedes Leid ersparen. Aber man
schläfert ein Tier ja nicht ein, wenn es ihm gut geht und er keine Schmerzen und kein Leid hat.
Es gibt auch keine Regel, wie welche „Punkte erfüllt sein müssen“, damit man sagen kann, „so jetzt
ist es soweit“.

Meine Aussage ist immer: „Wenn Zweifel da sind, ist es noch nicht der richtige Tag“.
Und es müssen in der Familie alle einer Meinung sein. Ansonsten gibt es noch Jahre später darüber
Diskussionen und Vorwürfe. Ganz wichtig ist auch, sich nicht von Nachbarn oder Freunden unter
Druck setzten zu lassen. Wie oft habe ich Gespräche, in denen die Besitzer anmerken, das ihnen
Egoismus und mangelnde Tierliebe vorgeworfen wird, weil Menschen in der unmittelbaren
Umgebung finden, das das Tier sich ja nur noch quält.
Diese Entscheidung kann und darf Ihnen keiner abnehmen. Wenn Besitzer zu mir sagen: „Frau
Kähler, sie müssen mir sagen wenn das nicht mehr geht“, dann antworte ich fast immer: „Nein, das
sagen Sie mir, sie erleben ihr Haustier im alltäglichen Leben und wissen am besten wie gut oder
schlecht es geht“.

Immer wieder erlebe ich, das Besitzer erleichtert aufatmen, wenn ich nach der Untersuchung eine
entsprechende Therapie vorschlage: „Oh, wir hatten solche Angst, das wir den nicht wieder mit
kriegen“.

Das kann ich überhaupt nicht verstehen. Niemals würden wir mal eben so in der Sprechstunde
Ihnen Ihr Familienmitglied „nehmen“, ohne das Sie sich darauf vorbereiten konnten. Manchmal
sitzen tatsächlich Besitzer mit ihren Tieren ganz normal im Wartezimmer und warten bis sie an der
Reihe sind. Und dann stellt sich heraus, das sie mit dem festen Willen gekommen sind, das Tier nun
hier und jetzt zu erlösen. Da kann man sehen wie unterschiedlich Menschen sind.
Ich rate immer dazu, wenn es sich nicht um eine Notsituation handelt, einen Termin außerhalb der
Sprechstunde zu vereinbaren. Oder zumindest es so zu verabreden, das man nicht noch zwischen
anderen Kunden warten muss.

Viele Besitzer wünschen auch, das ich nach Hause zu ihnen kommen. Das mache ich häufig.
Gerade Tierhalter, deren Hunde die Tierarztpraxis gehasst haben, äußern diesen Wunsch, da sie
ihrem Hund in seiner letzten Stunde diesen verhassten Ort ersparen wollen. Aber gerade diese
Hunde finden es auch nicht immer „lustig“ wenn ich dann in ihrem Zuhause auftauche. Zumal sie
durch die Aufgewühltheit ihrer Familie schon irgendwie mitgekriegt haben, dass was nicht o.k ist.
Man sollte auf jeden Fall versuchen dem Haustier zu vermitteln, das alles in Ordnung ist.
Wenn Besitzer schluchzend den Hund fest im Arm halten, dann sieht man den Tieren an, das sie
Angst kriegen. Es ist nicht herzlos, sondern hilft dem Tier, wenn man versucht seine Emotionen für
den Moment es Erlösens zurück zu halten.

Sie sehen, wenn man das hier durchliest, es sind schon besondere Momente und es ist gut das nicht
zu verdrängen, sondern sich damit, zumindest im gewissen Maße, zu beschäftigen.
Es ist auch hilfreich vorher zu überlegen, wo das geliebte Tier bleiben sollen wenn es dann tot ist.
Meine Joon habe ich hier in der Praxis eingeschläfert und ich hatte vorher beschlossen, das sie auf
dem Tierfriedhof in Wiepenkathen beerdigt werden soll. Als sie dann hier lag habe ich aber
entschieden, sie erst mal mit nach Hause zu nehmen. Das habe ich dann getan und da lag sie nun in
ihrem Körbchen. Lange konnte sie da nicht bleiben, aber für den Moment war das für mich besser,
als sie gleich abholen zu lassen.

Sie ist an einem Dienstag gestorben und sollte dann leider erst am Donnerstag beerdigt werden. So
habe ich sie dann bis dahin bei mir in der Garage im Körbchen gehabt. Das war für den Mittwoch
noch o.k. Nicole und alle die sie geliebt haben, sind nochmal bei ihr gewesen. Aber dann mußte ich
sie am Donnerstag zu dem Friedhof fahren. Das war dann nicht mehr schön und ich hätte es mir im
nachhinein ersparen sollen.

Aber es zeigt, selbst ich, die seit 17 Jahren m.o.w wöchentlich z.T mehrfach solche Situationen in
allen „Formen“ erlebt habe, kann nicht immer vorher sagen und einschätzen, was wann wie das
„Beste“ ist.

Ich wünsche Ihnen und uns, dass wir es gemeinsam „hinkriegen“, das der Abschied so erlebt wird,
dass Sie weiterhin mit Freude ein Haustier haben können.
Denn ohne ist das Leben nicht mal halb so schön.

Franziska Kähler